Am 7. und 8. November 2024 erkundete das Leistungsfach Kunst zusammen mit Frau Gienger und Frau Bittner einige der großen Kunstmuseen in Paris. Durch die relativ kurze Fahrtzeit des TGV am Donnerstagmorgen und Freitagabend konnte einiges auf dem Programm stehen.
Nach einer kleinen Pause um den Jardin des Tuileries begannen wir durch eine GFS vor Ort, einen ersten Einblick in das Museum Louvre zu erhalten. Griechische Göttinnen und Götter der klassischen und hellenistischen Epochen sollten in Form von Marmorskulpturen eine geraume Zeit unsere Aufmerksamkeit erlangen. Als wir dann die über zwei Meter große, zusätzlich auf einem Schiffsbug aufgebaute Göttin Nike von Samothrake vor Ort zu sehen bekamen, staunten wir nicht schlecht. Trotz fehlender Arme zeigt sie sich mit Flügeln, nassem und teilweise durchsichtigem Gewand und wie vom Winde verweht in beeindruckender Pose, als würde die wie eine Galionsfigur wirkende Frau gleich zum Leben erwachen.
Eine weitere der wichtigsten Damen des Louvres sollte uns danach eine Weile über ihren geheimnisvollen Gesichtsausdruck beschäftigen: Die Venus von Milo. Auch hier blieben Arme und Hände auf immer verschollen. Kunsthistoriker sind sich scheinbar nicht einig, ob eine Rekonstruktion dieser ihrer Präsenz eher nutzen oder schaden würde. Keine kleinere Aufgabe als diese sollte der Kurs dann aber zeichnerisch vor Ort bewältigen: Ergänze das ausgeteilte Bild der Venus von Milo mit einer Geste, die das Gesamtbild stützt, nicht schwächt! Wir suchten u. a. bei Leonardo da Vincis Mona Lisa Rat, deren Gesichtsausdruck nicht weniger Rätsel aufgibt. Deren Hände liegen scheinbar unspektakulär auf einer Stuhllehne.
Besucht man das Museum Louvre wegen verschiedenster Marmorskulpturen der griechischen Antike und Renaissance, sollten dabei die Michelangelo Buonarrotis nicht fehlen: Der rebellische und der sterbende Sklave. Diese hätten eigentlich zwei der 40 Skulpturen des von Julius II. in Auftrag gegebenen Grabmahls werden sollen, das aber nie vollendet wurde. So gediehen sie zu einem nahezu individuellen Werk und blieben - laut heutiger kunstgeschichtlicher Betrachtung - zu Teilen im rohen Stein gefangen, mit ihm ringend, aber unvollendet. Scheinbar hat Michelangelo sie deshalb als eine Allegorie des menschlichen Daseins und Metapher schöpferischen Arbeitens betrachtet, das diese seelisch-geistige und auch körperliche Gefangenschaft immer wieder neu zu überwinden sucht. Glücklicherweise konnten wir z. B. die abstrahierten ausdrucksstarken Übergänge von naturnah ausgearbeiteten Händen hin zu wenig geformten Fingern, feststeckend in kaum behauenem Stein, ausführlich von Nahmen betrachten und mit mitgebrachter Plastiziermasse nachempfinden, da der Louvre an diesem Tag sehr wenig besucht war. Ein neuer Fachbegriff zog nun folglich ein, zumindest in das Kurzzeitgedächtnis der Schülerinnen und Schüler: Non-finito.
Mit diesem nun bewusst gesetzten Non-finito, also Fragmentarischen, revolutionierte dann Auguste Rodin die Bildhauerei seiner Zeit und schuf somit den Übergang zur modernen Plastik. Im Museum Orsay, das wir am nächsten Nachmittag ausgiebig besuchten, zeigte sich z. B. der durch ihn gestaltete Schreitende (L'homme qui marche), überlebensgroß, in Bronze gegossen und ohne Arme, da Rodin diese in diesem künstlerischen Kontext zur Darlegung des Schreitens als nicht notwendig, eher störend betrachtete. Ein Aufschrei unter Besuchern und Kritikern folgte, die an glatte muskellose immer wieder dieselben Mythen reproduzierende Marmorpuppen gewohnt waren. Ein aus der Antike gerettetes Fragment, ein Torso waren natürlich ausstellungsfähig! Aber so etwas? Doch Rodin meinte dazu überzeugt: „So ist denn in der Kunst einzig und allein schön, was Charakter hat."
Im Museum Orsay und im Museum Orangerie bestaunten wir weiter mehrere Bilder von keinem Geringeren als Claude Monet, der ebenso die bloße Nachahmung der Natur innerhalb der Erzählung von Mythen hinter sich ließ. Durch eine weitere GFS, die uns durch verschiedene Aufgabenstellungen das Werk Monets zu erschließen versuchte, nahmen wir einige seiner Werke genauer in Augenschein: En plein air erforschte Rodin über Jahre hinweg die unterschiedlichsten Erscheinungen von Licht und lässt über kontrastreich nebeneinander gesetzte abstrahierte Pinselstriche erst im Sehvorgang flimmernden Landschaften entstehen.
Ebenso konnten wir einen Raum - ausschließlich gestaltet mit Bildern von Paul Cézanne - erleben, die nur die Anfänge seines Arbeitens aufzeigen: Mythische Erzählungen und Stillleben, gemalt mit dunkler Farbpalette. Umso faszinierender zeigte sich dann u. a. eine seiner späteren Landschaftsmalereien um Estaque mit modellierender und modulierter, also auch abstrahierter Malweise. Die vielen kaum nachvollziehbaren Farbnuancen sollten zu Teilen im mitgebrachten Zeichenbüchern der Schülerinnen und Schüler festgehalten werden, um nachzufühlen, zu verstehen und festzuhalten, dass es auch hier um weit mehr als nur eine tote naturnahe, also um eine auf Cézannes Art lebendige Darstellung des Sonnenuntergangs geht...
Natürlich gab es noch mehr zu sehen in Paris als nur die in Museen festgehaltenen Kunstwerke und die Frage, was daran nur Nachahmung der Natur sei. Fragt doch mal selbst nach, was die einzelnen Kursteilnehmer*innen beeindruckt hat.
\ Gi